„Ich wollte der Welt zeigen, dass dort im Kongo etwas falsch läuft.“

Auf der Afrikamera 2015 ist Angèle Diabang als einzige weibliche Regisseurin vertreten. Ihr Dokumentarfilm „Congo, Un Medecin Pour Sauver Les Femmes“ handelt von sexualisierter Kriegsgewalt im Osten Kongos.

„In meinem Film gibt es nicht viele Tränen“, erzählt Angèle Diabang über ihr jüngstes Werk. Dabei dokumentiert der Film der jungen Regisseurin „Congo, Un Medecin Pour Sauver Les Femmes“ aus dem Jahr 2014 die berührenden Geschichten der Opfer von Vergewaltigungen, die im Osten Kongos, als systematische Waffe im Krieg zwischen Rebellen und der Regierung eingesetzt werden. Statt Tränen zeigt die senegalesische Regisseurin Hände, die nervös am Schal nesteln, sich in den Stoff der Kleidung krallen, während die Frauen von ihren Erlebnissen berichten. Seit mehr als 20 Jahren sind ihre  Körper  zum Territorium sexualisierter Kriegsgewalt geworden.

Vergewaltigung als gewaltvolle Strategie innerhalb bewaffneter Konflikte ist  kein neues oder ausschließlich afrikanisches Phänomen. Ob während des Zweiten Weltkrieges in Europa, im so genannten Bosnien-Krieg, während des Genozids in Ruanda an der Volksgruppe der Tutsi oder aktuell im Dafur- Krieg im Sudan – Verbrechen jener Art ziehen sich sowohl durch die Geschichte der Menschheit sowie durch nahezu alle Breitengrade des Globus‘. Die Hintergründe sind so vielfältig wie perfide. Beispielsweise werden Frauen vermeintlich dazu „genutzt“ den Feind zu reproduzieren, was zum Überlegenheitsgefühl der Männer beitrage, schreibt die Politikwissenschaftlerin Claudia von Braunmühl in „Geschlechterdimensionen gewalttätig ausgetragene Konflikte in der Internationalen Politik“. Generell könnten Kriegssituationen zu Konflikten vermeintlich maskuliner  Identität und zur Verstärkung bereits bestehender sexistischer Strukturen führen, welche oft den Hintergrund von sexualisierter Gewalt bilden, so von Braunmühl. Diese Strukturen sind auch Ursache für die sozialen Konsequenzen der gewaltvollen Übergriffe. Oft werden die Frauen von ihren Familien oder Ehemännern verstoßen oder gar angehalten ihren Vergewaltiger zu heiraten, um die Ehre der Familie zu wahren. Andere Konsequenzen sind eine mögliche Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, wie etwa HIV, sowie schwere innere Verletzungen, die aus den brutalen Misshandlungen resultieren.

An dieser Stelle setzt der Film von Diabang an. Im Panzi-Hospital in Bukavu rekonstruieren der Arzt Denis Mukwege und seine Mitarbeiter*innen den Genitalbereich der Frauen. Der Gynäkologe ist zu einem Helden im Kampf für die Frauen der Kivu- Region geworden. Immer wieder macht Mukwege öffentlich auf deren Leid aufmerksam. In „The Guardian“ erklärte er: “Diese Form der Gewalt hat wenig mit Sex zu tun, viel mehr mit Macht durch eine Art Terrorismus.” Sein politisches Engagement machte ihn im Jahr 2012 zur Zielscheibe eines Mordanschlags, den er nur knapp überlebte. Zu dieser Zeit las Diabang einen Artikel über Mukwege, die fatale Situation der Frauen und war erschüttert. „Ich machte die internationale Gemeinschaft verantwortlich, doch dann merkte ich „Angèle, du tust selber nichts.“ Ich musste einfach etwas machen, also nahm ich meine Kamera.“ Nach der Wiederherstellung des Genitalbereiches erhalten die Frauen psychologische Hilfe, denn viele von ihnen sind nach den Übergriffen traumatisiert. Diabang war es daher wichtig eine Beziehung zu den Frauen aufzubauen. „Ich bin nicht einfach gekommen und habe angefangen zu filmen. Ich habe mir immer Zeit genommen, um mit ihnen zu diskutieren. Oft fragten sie mich: „Angèle, wann fängst du denn endlich an zu filmen?“ Durch den intensiven Kontakt mit den Frauen wurde die Regisseurin zu einer Vertrauensperson. Sie berichtet von einer Frau, die drohte sich und ihr ungeborenes Kind, entstanden aus einer Vergewaltigung, zu töten. Wenn es jedoch leben sollte, wolle sie es nach der Regisseurin benennen. „Das war ein Anlass für mich zu sagen: „Wenn du sie Angèle nennst, dann kannst du sie nicht töten. Wenn du sie umbringst, dann tötest du damit auch mich. Ich habe sie immer wieder daran erinnert. Und ich bin glücklich, dass Baby Angèle heute lebt.“ Diabang, die unter anderem auch in Deutschland studiert hat, versteht es auch ohne Tränen die Verzweiflung der Frauen darzustellen und strukturelle Unterdrückung aufgrund des Geschlechts deutlich zu machen. Trotzdem gelingt es der Absolventin  der Dakar Media School Hoffnung aufzuzeigen, jedoch ohne Perspektiven auf eine bessere Zukunft zu romantisieren. Die Arbeit an dem Film habe sie verändert. Nach dem Dreh wisse sie ihr eigenes Leben mehr zu schätzen. Doch die junge Regisseurin und Drehbuchautorin hofft auch für die Frauen etwas verändern zu können. „Ich habe nicht nur einen Film gemacht, sondern angefangen einen Weg zu bauen, der mir genauso wichtig war. Ich wollte der Welt zeigen, dass dort im Kongo etwas falsch läuft.“

Autorin: Christina Focken

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